Die ur-deutsche Allianz-Versicherung hat es getan. Das deutsche
Software-Unternehmen Mensch und Maschine tat es. Ebenso SAP mit
Sitz im deutschen Walldorf. Der Axel Springer Verlag will es tun
die deutsche Unternehmensrechtsform Aktiengesellschaft
abzulegen und als sogenannte Europäische Gesellschaft ("SE")
zu firmieren.
Diese Rechtsform ist seit 2005 nach Übernahme der EU-Verordnung
2157/2001 und die folgende EU-Richtlinie 2001/86/EG auch deutschen
Unternehmen möglich.
Die Societas Europaea (Europäische AG)
ist mit der uns vertrauten Rechtsform der AG ziemlich identisch.
Oberstes Organ ist die Hauptversammlung der Aktionäre. Beim
Management (Verwaltungsorgane) kann die SE wählen zwischen
dem in Deutschland bekannten "dualistischen" Modell
mit der Trennung von Vorstand und Aufsichtsrat oder dem "monistischen"
Modell, bei dem Vorstand und Aufsichtsrat ein gemeinsames Gremium
bilden; also das Unternehmen leiten und sich selbst gleichzeitig
beaufsichten. Dies ist z.B. bei der österreichischen Conwert
SE Realität.
Ein weiteres Merkmal der Europäischen Gesellschaft
sind die komplexen Verhaltensweisen, um eine Arbeitnehmermitbestimmung
in einer Societas Europaea (SE) nicht von vornherein
durch Firmierung als SE abzuschaffen.
Die Beteiligung der Arbeitnehmer wird zwischen
einem besonderen Verhandlungsgremium ("Arbeitnehmer-Vertretung")
und dem Management verhandelt. Zudem gilt das Prinzip der Sicherung
bisher erworbener Arbeitnehmerrechte. Dieser Bestandsschutz könne
bei einem hohen nationalen Mitbestimmungsstandard eine Hürde
bei einer grenzüberschreitenden Übernahme sein, meinte
das Beratungsunternehmen PWC. Denn wird bei einer Übernahme
oder Fusion keine Einigung über die Beteiligung der Arbeitnehmer
erzielt, greift eine gesetzliche Auffangregelung, die in der Regel
den höchsten Mitbestimmungsstandard im späteren Gemeinschafts-unternehmen
berücksichtigt.
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Welche Vorteile versprechen sich deutsche
Aktiengesellschaft durch den Wechsel in Rechtsform SE?
Eine SE kann den Sitz innerhalb der Europäischen
Union schnell von Land zu Land verlegen.
Eine SE kann dann ihre Tochter-
gesellschaften in Form von
"Zweigstellen" organisieren, ohne bei
Tochtergesellschaften nationale
Regelungen beachten zu müssen.
(Wahrscheinlicher Grund für
Rechtsformwechsel der Allianz in SE).
Eine SE könnte aus Unternehmenssicht
trotz vermeintlicher Absicherung durch
Nationalgesetze die Arbeitnehmer-
Mitbestimmung auf ein niedrigeres
Niveau herabschleusen oder sogar
gänzlich ausschließen. (Die ist der
seitens der Gewerkschaften vermutete
Grund für den angekündigten
Rechtsformwechsel von SAP).
Adi Drotleff, Chef und Großaktionär bei Mensch und
Maschine, redet nicht um den heißen Brei herum. In
einem Interview mit dem Handelsblatt am 29.05.07 ließ es
sich so zitieren:
"Wir sind als
mittleres Unter-nehmen nicht mitbestimmungs-pflichtig. Falls dies
eines Tages aber drohen sollte, etwa weil wir so stark gewachsen
sind, würde ich ernsthaft die Verlagerung des Unternehmenssitzes
ins Ausland prüfen, um der Mitbestimmung zu entgehen".
"Als SE kann man problemlos und schnell verlagern".
Anfang Februar 2007 hat sich das EU-Parlament auch für eine
europäische Form der GmbH ("Europa-GmbH") ausgesprochen.
Prominentes Mitglied in der Riege der SEs ist seit Mitte Januar
2008 die "urdeutsche" BASF. "Eines der wichtigsten
Ziele des Rechtsformwandels sei die Verkleinerung des Aufsichtsrats
von 20 auf 12 Mitgliedern", schrieb die kenntnisreiche Börsen-Zeitung,
als sie über die Umfirmierung der BASF berichtete.
Die österreichische Conwert hat die Umwandlung zur SE sogar
unter Abschaffung des auch in Österreich üblichen Aufsichtsrats
vollzogen.
In Europa gibt es derzeit rund 1 400 Unternehmen, die in der
Rechtsform der Societas Europaea (SE) firmieren.
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